Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert
Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 

XIII.

Das Heuerwesen

 

 

(Seite 55 im Buch)

 
 

Jüngeren Ursprungs ist das Heuerwesen. Flüchtlinge, welche die unaufhörlichen Kriegswirren des 17. Jahrhunderts in die Fremde getrieben hatten, entlassene Söldner, entlaufene Knechte und Hörige, die sich vor den Herren in den vielen Schlupfwinkeln des Landes verborgen hielten, Bauern, welche unter dem Steuerdrucke und den fortwährenden Einquartierungen ihre Höfe verlassen hatten, nisteten sich zuerst mit ihren Familien in Scheunen, Böden, Backhäusern, Lehmhäusern, Schweinstellen ein und halfen als Taglöhner dem Kolonen in der Bewirtschaftung der Stelle. Als man gegen Ende des 18. Jahrhunderts immer mehr von der Viehwirtschaft zur Ackerwirtschaft überging, begann man den neuen Ansiedlern Häuser zu bauen und ihnen etwas Ackerland zu überweisen, wofür sie sich zu gewissen persönlichen Diensten verpflichten mußten. So kam der Stand der Heuerleute auf, der noch jetzt den ehemals münsterschen und osnabrückschen Gebietsteilen ihr eigentümliches Gepräge gibt. Gemeinsam ist dem Heuerwesen, daß es auf einem Zeitpachtvertrage beruht, demzufolge der Grundeigentümer dem Heuermann Haus, Garten und Land zur eigenen Bewirtschaftung überläßt, sich auch zu gewissen Gegenleistungen verpflichtet, dagegen vom pachtenden Heuermann neben einer Pachtzahlung in Geld dessen Arbeitskraft für seinen Wirtschaftsbetrieb in Anspruch nimmt. Im übrigen bestehen von Ort zu Ort Verschiedenheiten. An einigen Orten ist der Heuermann zur unentgeltlichen Arbeit verpflichtet, an anderen erhält er Tagelohn; an einigen Orten sind die Arbeitsleistungen bestimmt, an anderen unbestimmt. Alle Errungenschaften der Neuzeit haben an dieser Institution wenig geändert, ein Beweis für ihre Zweckmäßigkeit. Sie liefert den verhältnismäßig umfangreichen Einzelgehöften in einer schwach bevölkerten, wenig ergiebigen Gegend, wo kleinere selbstständige Besitzungen nicht existenzfähig sind, die nötigen Arbeitskräfte, andererseits bietet sie manchen jungen Leuten, namentlich den nur schlecht bedachten Abfindungen der Höfe, gelegenheit, sich einen eigenen Familienstand zu gründen. Die Abhängigkeit vom Grundeigentümer wurde und wird auch jetzt noch wenig empfunden, weil Bauer und Heuermann bei der Arbeit an einem Strange ziehen, an demselben Tische speisen, die Freuden und Leiden des Lebens mit einander teilen. Nur in einem Punkte äußert sich der Standesunterschied: Heiraten zwischen Heuerleuten und Bauern gehören zu den Seltenheiten.

 

 

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Stand: 06. März 2009