Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert
Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 

VIII.

Die Ablösungen

 

  (Seite 40 im Buch)  
 

Bis zum Beginne des 19. Jahrhunderts blieben, wie schon erwähnt, die meisten Bauernhöfe im Abhängigkeitsverhältnis von Gutsherrn. Vereinzelt sind Freikäufe oder Ablösungen schon gegen Ende des 14. Jahrhunderts vorgekommen. Da ein gültiger Handel nur mit Freien abgeschlossen werden konnten, gab der Leibeigene den Hof, an den er gebunden war, zunächst dem Herrn zurück, und dieser erklärte ihn mit den Seinen zur Vergeltung oder zum Wiederwechsel für frei. Dann erst konnte der Bauer als Freier den Hof kaufen.

 
 

Das Verdienst, im Bistum Münster zuerst auf gesetzlichem Wege eine Erleichterung der drückenden bäuerlichen Verhältnisse herbeigeführt zu haben, gebührt dem Fürstbischofe Maximilian Friedrich, Graf von Königseck-Rothenfels (1762-1784). Nachdem dieser im Jahre 1770 die Eigentumsordnung erlassen hatte, suchte er durch die Erbpachtordnung vom Jahre 1783 den Übergang der Leibeigenschaft in ein Erbpachtverhältnis zu erleichtern und vorzubereiten. Unterstützt wurde er hierin von seinem vortrefflichen Minister, Freiherr von Fürstenberg, und dem eigentlichen Verfasser jener Gesetzte, Geheimrat und Vize-Kanzler Mersmann. Indes so vortrefflich und wohlgemeint auch jene Verordnungen waren, so waren sie doch, als 1803 das Niederstift an Oldenburg kam, noch wenig ins Leben getreten. Darum war es eine vornehmliche Sorge Herzogs Peter Friedrich Ludwig, hier Wandel zu schaffen. Im Jahre 1808 beschloß er, die Leibeigenschaft aufzuheben, vorher aber sollte untersucht werden, für welche von den aus der Leibeigenschaft unmittelbar fließenden gutsherrlichen Rechten eine Etschädigung zu leisten, und auf welche Weise diese zu ermitteln sei. Wegen der kurz darauf eintretenden frnzösischen Fremdherrschaft geriet diese Angelegenheit ins Stocken. Die französische Regierung zerschnitt den Knoten, den man sorgfältig zu lösen gedacht hatte, ohne Schwierigkeit. Durch das kaiserliche Dekret vom 9. Dezember 1811 wurden die lehns- und gutsherrlichen Verhältnisse mit allen darin begründeten Rechten und Pflichten teils aufgehoben, teils als loskäuflich erklärt. Viele gutspflichtigen Bauern benutzten diese Gelegenheit und kauften sich frei, nicht immer zu ihrem Vorteil. Da die Gutsherrn sich die Aufhebung der gutsherrlichen Rechte teuer bezahlen ließen, wurde es für manchen Bauer schwer, die hohe Freikaufsumme abzutragen. Die Folge war, daß das Holz auf dem Hofe abgehauen, Ländereien veräußert wurden, und wenn die gelösten Gelder nicht ausreichten, Kapitalien angeliehen wurden oder ein Teil der Freikaufsummeals Schuld in der Stelle stehen blieb. Mancher Bauer geriet in eine solche Schuldenlast, daß erschließlich Haus und Hof verkaufen mußte. Nach dem Sturze der französischen Herrschaftwurde das Dekret vom 9. Dezember 1811, das ohne alle Kenntnis der besonderen Verhältnisse gegeben war und in vielen Bestimmungen den Grundsätzen der Gerechtigkeit widersprach, durch die Verordnung vom 10. März 1814 wieder aufgehoben. Es wurden die lehns- und gutsherrlichen Verhältnisse, soweit sie nicht im einzelnen in der französischen Zeit durch Freikauf abgelöst waren, im allgemeinen provisorisch wiederhergestellt, indes blieben einige aufgehoben, nämlich die Eigenhörigkeit mit allen unmittelbar daraus fließenden Rechten und Verbindlichkeiten (Gesindezwangsdienst, Sterbfall, Bindikationsrecht, ec.). Die Gutsherrn sollten jedoch für den Verlust, den sie durch Aufhebung dieser Rechte erlitten, entschädigt werden. Im übrigen blieb das Kolonatverhältnis mit allen daraus fließenden Folgen, Gefällen und Diensten bestehen und sollte nach der münsterschen Erbpachtordnung vom 21. September 1783 beurteilt werden. Diejenigen Ablösungskontrakte, welche während der französischen Zeit mit der rechtmäßigen Gutsherrschaft abgeschlossen waren, wurden als gültig anerkannt. Dagegen wurden die Freikäufe, welche herrschaftliche Bauern mit der französischen Regierung geschlossen hatten, für ungültig erklärt, da die französische Regierung nicht als rechtmäßige Gutsherrin angesehen werden konnte. Diese Bestimmung betraf fünf stark verschuldete herrschaftliche Kolonen im Kirchspiel Lohne: Hoyng-Krimpenfort, Hövemann, Rießelmann, Kayser und Rösener, die außerdem nach dem Freikauf auch Ländereien verkauft hatten. Da der Freikauf ungültig war, konnte auch der Verkauf der Ländereien nicht als gültig anerkannt werden. Da sich aber eine Rückgabe der Ankäufe ohne große Härte für die Ankäufer nicht durchführen ließ, gestattete man einen zweiten Freikauf mit der oldenburgischen Regierung als der rechtmäßigen Gutsherrschaft.

 
 

Um die den Gutsherrn zugesicherte Entschädigung für die Aufhebung ihrer Rechte zu ermitteln, wurde durch eine Verfügung vom 26. September 1820 eine Kommission eingesetzt, welche in Vechta ihren Sitz hatte. Nachdem diese ihre vorbereitenden Geschäfte beendet hatte, wurde unter dem 25. August 1830 verfügt, daß außer den schon 1814 aufgehobenen Rechten auch der im der Verordnung vom 26. Mai 1814 provisorisch noch beibehaltene unbestimmte Erbgewinn und die unbestimmten Auffahrtgelder als solche aufgehoben seien und dafür ein für immer festgesetzter Gewinn fixiert werden sollte. Provisorisch beibehalten blieben alle ungemessenen Dienste und die gemeinschaftliche Benutzung des Holzes nach Maßgabe der Erbpachtordnung. Ohne Entschädigung wurden bzw. blieben aufgehoben die Hörigkeit, das Bindikationsrecht, das Strafrecht, das Recht, den Leibeigenen in der Verfügung über das Allodium unter Lebenden oder von Todes Wegen zu beschränken, das Pfändungs- und Exekutionsrecht, die gutsherrliche Einwilligung zur Heirat, die Verpflichtung, Jäger zu bewirten und Jagdhunde zu füttern. Entschädigung erhielten die Gutsherrn wegen des Freibriefes, des Gesindezwangsdienstes, des Sterbfalls und des unbestimmten Erbgewinns. Die Feststellung der Entschädigung geschah entweder durch freie Vereinbarung des Gutsherrn mit dem Pflichtigen oder, wenn die Verhandlungen keinen Erfolg hatten, durch die in Vechta eingesetzte Kommission. Letztere hatte auch alle Ablösungskontrakte zu revidieren und zu genehmigen. Bei den herrschaftlichen Höfen wurde für den Zwangsdienst eine gesetzliche Rente von 36 Grote angenommen; zur Bestimmung der jährlich zu zahlenden Rente für den Freibrief wurde ermittelt, wie viel durchschnittlich in den 90 Jahren vor der französischen Fremdherrschaft gezahlt worden war. Die durchschnittliche Zahl wurde 3 mal genommen und durch 90 geteilt. In gleicher Weise ermittelte man die Rente für den Sterbfall, Gewinn und Auffahrt. Für den Heimfall betrug die jährliche Rente ein Prozent vom Reinertrage der Stelle, zu dessen Berechnung meistens die vom Gemeinheits-Kommissair Nieberding angeschlagenen Jahrerträge dienten, von welchen die Lasten und Abgaben abgezogen wurden. Da viele herrschaftliche Hofhörige ein Heimfallsrecht nicht anerkennen, somit eine Rente hierfür nicht übernehmen wollten, wurden deren Stellen erst 1849, wo Artikel 59 des Staatsgrundgesetzes den Heimfall und die Holzberechtigung ohne Entschädigung aufhob, vom gutsherrlichen Verbande befreit. Das Gesetzt vom 11. Februar 1851 und die Nachfuge vom 12. März desselben Jahres bestimmte, daß die Entschädigung nach dem reinen Ertrage zu bemessen sei, welchen der Berechtigte von der Berechtigung bezogen hat, und durch eine der Regel nach binnen sechs Monaten fällige Zahlung einer Kapitalsumme zu erfolgen habe. Dieses Kapital besteht in dem schszehnfachen Betrage des Geldwertes, den der jährliche Reinertrag ausmacht: bei allen Diensten und Zehnten, bei Renten und Leistungen , welche in der Zeit vor 1814 bis 1830 durch Vertrag oder Entscheidung an die Stelle der durch das Staatsgrundgesetz aufgehobenen Berechtigung getreten sind, ebenso bei jenen, welche der Zeit vor 1814 angehören, wenn die übernommene Rente aus der Vertragsurkunde zu ersehen ist, ferner bei den aus einnem zur Zeit der Erlassung des Staatsgrundgesetzes noch vorhandenen guts- oder schutzrechtlichen Verbande fließenden Abgaben und Leistungen; in dem zwanzigfachen Betrage bei allen anderen Abgaben und Leistungen, welche nicht in Geld bestehen; endlich im fünfundzwanzigfachen Betrage: bei allen Geldabgaben, welche nicht zu den bereits genannten gehörten. Durch das Gesetz vom 18. Mai 1855 wurden auch die an den Staat zu entrichtenden Pflichten und Lasten (Herbst- und Maischatz, Dienstgeld, Knechtgeld, Herbst- und Mairinder, Gerichtsroggen usw.) aufgehoben.

 

 

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Stand: 06. März 2009