Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert
Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 

VI.

Eigentumsrecht an den Höfen

 

  (Seite 17 im Buch)  
 

In den ersten Jahrhunderten des Mittelalters beruhte alle Macht auf dem Grundbesitz; das bewegliche Kapital hatte bis in die Zeit der Kreuzzüge noch keine Bedeutung. Die Bischöfe und Klöster, die Herzöge und Grafen und ebenso der König waren Großgrundbesitzer. Ihr Bestreben war darauf gerichtet, den Besitz von Grund und Boden zu vermehren und die auf demselben lebenden Leute von sich abhängig zu machen. Die unruhigen Zeiten des späteren Mittelalters trugen dazu bei, daß auch die bis dahin frei gebliebenen Höfe, insofern sie sich nicht an ein Freigericht anlehnten, ihre Unabhängigkeit verloren. Und so finden wir denn vor der im vergangenen Jahrhunderte erfolgten Ablösung die meisten Höfe des Amtes Vechta in irgend einem guts- oder schutzherrlichen Abhängigkeitsverhältnis. Nur wenige Bauern konnten die Stelle, auf der sie saßen, ihr Eigentum nennen. Rücksichtlich des Eigentumsrechts an den Höfen unterschied man:

 
  1.

Lehnsgüter d. h. solche Güter, die ursprünglich den Bischöfen, Grafen oder geistlichen Stiftern gehörten, mit denen andere als Vasallen belehnt wurden. Die Güter wurden unter der Bedingung gegenseitiger Treue in der Weise hingegeben, daß gewisse Rechte beim Verleiher (Lehnsherrn) verblieben, der Besitz und Genuß dem Beliehenen gegen Huldigung und Übernahme ritterlichen Dienstes zukam. Als mit dem Aufkommen der Söldnerheere der Adel sich vom Kriegsdienste zurückzog, wurde statt des Reiterdienstes eine geringe Abgabe entrichtet. Die Lehen wurden bald erblich und hießen Mannlehen, wenn sie in männlicher Linie, Kunkellehen, wenn sie sich auch in weiblicher Linie vererbten. Für den Amtsdistrikt Vechta kamen als Lehnsherrn in Betracht die Bischöfe von Münster und Osnabrück und die Grafen von Tecklenburg. Die Belehnung seitens des münsterschen Bischofs geschah unter dem Turm der Burg Vechta. Erst unter Bischof Ferdinand von Baiern, der bis 1650 regierte, mußten die Vechtaer Burgmänner, wie die übrigen Lehnsträger bei der münsterschen Kanzlei, seit 1803 bei der oldenburgischen Lehnskammer ihre Belehnung nachsuchen. Im Jahre 1811 wurden die lehnsrechtlichen Verhältnisse von der französischen Gegierung aufgehoben, aber 1814 widerhergestellt, die dann mit der Ablösung der gutsherrlichen Verhältnisse abgelöst wurden. Einige Lehnsallodifikationen (Eigentumsübertragungen an die Vasallen) hatten schon vor der französischen Revolution stattgefunden.

 
  2.

Allodialgüter, die im freien Eigentum der Bistümer, Klöster, Kirchen und des Adels befindlichen Höfe, auch "fry dorchschlachtig egen" genannt. Im 10. Und 11. Jahrhundert besaß im nördlichen Teile des Amtes Vechta (Visbek und Bakum) neben dem Wildeshauser Alexanderstift das Kloster Korvey großen Grundbesitz. Im Laufe des 12. Jahrhunderts gingen die Korveyschen Besitzungen zum größten Teil verloren und gerieten in Privatbesitz. Nur bei einigen erhielt sich dirch die Lehnsverbindung eine Art Abhängigkeit an Korvey, aber bei den meisten verlor sich auch das Lehnsverhältnis. Die meisten Höfe finden wir beim ausgehenden Mittelalter in den Händen der Landesherren in deren betreffenden Landesteilen, der Bischöfe von Münster und Osnabrück und der Grafen von Diepholz. Im münsterschen Teile des Amtes Vechta besaß auch der zahlreiche Adel, der sich in dem Vechtaer Burgmannskollegium eine feste Organisation schuf, viele Bauerngüter. Im osnabrückschen Teile war neben dem Landesherrn das Domkapitel von Osnabrück reich begütert. Dagegen hatte das münstersche Domkapitel im Niederstift keine Besitzungen, da letzteres kirchlich bis 1668 nach Osnabrück gehörte. Viele Güter hatten auch im Osnabrückschen die benachbarte Kommende Lage, einige auch das Stift Bersenbrück, während die Herren von Diepholz ihre Besitzungen in diesem Gebiete früh wieder veräußerten. Während des Mittelalters, namentlich vom 13. Bis 16. Jahrhunderte, hat ein häufiger Wechsel des Eigentums stattgefunden, so daß in einem halben Jahrhunderte ein Bauerngut oft mehrmals durch Verkauf in andere Hände kam. Eine größere Ruhe des Besitzes trat erst dann ein, als im 16. Jahrhunderte die Rittergeschlechter zu größerem Wohlstande gelangten und ihre Hovesaaten durch Ankauf von Bauerngütern vergrößerten. Bei den Stiftern und Klöstern waren die Bauerngüter in den festesten Händen.

 
  3.

Freibankgüter, Güter, welche die Kolonen als freies Eigentum besaßen, und die sich anlehnten an die Freigerichte, zu denen aus dem freien Bauern- und Ritterstande die Freigrafen und Freischössen genommen wurden. Als die Freistuhlgerichte aufhörten, haben viele Bauern teils durch eigene Schuld und schlechte Wirtschaft, teils durch die Ungunst der Zeit ihre Freiheit verloren. Ein Freigericht befand sich in der Bauerschaft Bieste (Kirchspiel Neuenkirchen), dessen Gerichtsbank bei der Mühle zum Stickteiche stand. 1298 und 1316 war Freigraf Friedrich von Horne, 1522 werden 15 Freie namentlich aufgeführt; sie wurden später als münstersche Untertanen behandelt und besteuert. Sie aren verpflichtet, jährlich 1 Schwein zu liefern und 2 Spanndienste, einen bei Gras und einen bei Stroh, zu leisten. Ein Teil dieser Freien kam 1817 an Hannover, ein anderer an Oldenburg. – Ein anderes Freigericht bestand im Dorfe Goldenstedt, die Krumme Grafschaft genannt, deren Gerichtsbank an der Pforte vor dem Kirchhofe auf der Straße stand, und deren Bezirk mit der Zeit auf die im Dorfe Goldenstedt zwischen den Brücken gelegenen Häuser zusammengedrängt wurde. Als besonderes Gericht wurde es von Münster aufgehoben und dem Gogericht auf dem Desum zugelegt. Es blieb aber die Gewohnheit bestehen, daß die Freien des Kirchspiels Goldenstedt unter ihrem Freigrafen, dem Meier von Ellenstedt, jährlich auf dem Kirchhofe zu Goldenstedt in Gegenwart des münsterschen Hausvogts einmal zusammenkamen und über Heergewedde und Gerade verhandelten. Beim Tode eines Freien zog nämlich der nächste männliche Verwandte von Mannesseite das Heergewedde (Kriegsrüstung ec.), beim Tode einer der Freigrafschaft zugehörigen Frau die nächste weibliche Verwandte von der Frauenseite das Gerade (weibliche Kleidungsstücke, Schmuckgegenstände ec.). Nach einer Verfügung vom Jahre 1600 sollte immer das nächste Blut ohne Rücksicht auf das Geschlecht Heergewedde und Gerade ziehen können, nach einer anderen vom Jahre 1640 sollten die von dem Heergewedde und Gerade ziehenden Freien 1Reichstaler an den Richter und ½ Reichstaler an den Vogt entrichten, wobei die Abgabe von je 1 Schilling an den Freigrafen und die Gesamtheit der Freien bestehen blieb. Im Jahre 1798 gehörten zu dem Freigericht noch 24 Feuerstellen, 1817 wurde der letzte Rest vollständig aufgehoben, nachdem das Recht, Heergewedde und Gerade zu ziehen, schon früher aufgehört hatte. – Zu dem Freigericht in Addrup (Kirchspiel Essen) werden 1340 ein Johann de Hustede und Eylerus de Lüsche als Frei aufgeführt.

 
  4.

Oberhöfe mit ihren Unterhöfen. Die Großgrundbesitzer in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters ließen ihren Grundbesitz auf 2 ganz verschiedene Arten bewirtschaften, teils auf eigene Rechnung durch Leibeigene, teils als Besitz von Hörigen, die ihrem Grundherrn dafür zu Abgaben und Diensten verpflichtet waren. Das von dem Grundherrn selbst durch Leibeigene bewirtschaftete Land, terra salica, Salland genannt, wurde mit der Zeit besonderen Verwaltern, Meiern, übertragen, und diesen wurden die benachbarten zinspflichtigen Höfe unterstellt. So entstanden um die Mitte des Mittelalters die Oberhöfe mit ihren Unterhöfen. Ein solcher Haupthof war nach einem Register vom Jahre 1240 die bischöfliche Kurie in Bokhorna (Bokern bei Damme), die gegen einen Pachtzins (die 4. Garbe) von einem Schulzen oder Meier (villicus) bewirtschaftet wurde, und an die bis zur Errichtung des Amtshauses zu Vörden (um 1370) alle Einnahmen der Unterhöfe abgeliefert werden mußten. Ein weiterer Oberhof wird auch der Bröringmeierhof in Lohne gewesen sein, auf welchem noch bis in die Neuzeit die Hausgenossen am 2. Pfingsttage zusammenkamen und jeder ein Hausgenossenschaft lieferten. – Korveysche Oberhöfe waren die Kurie Südholz (Kirchspiel Bakum), die Kurie Visbek und Varnhusen, an welche die Korveyschen Zinsbauern ihre Pächte zu entrichten hatten. Die den Korveyschen Oberhöfen vorgesetzten Verwalter (Meier) wußten sich mit der Zeit der Abhängigkeit von Korvey ganz zu entziehen und die Höfe von sich abhängig zu machen. So entstanden aus der Kurie Südholz die südholzschen adeligen Güter.

 

 

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Stand: 06. März 2009