Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert
Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 

II.

Wirtschaftliche Verhältnisse

 

 

(Seite 4 im Buch)

 
 

Es wäre gewiß von großem Interesse, wenn wir die Geschichte der einzelnen Bauernhöfe mit ihren wechselvollen Schicksalen von ihrem Entstehen an durch alle Jahrhunderte hindurch verfolgen könnten. Doch das ist nicht möglich. Wo die Bauernhöfe unserer Heimat in die Geschichte eintreten, sind sie fertig da und können schon auf ein Alter von mehreren Jahrhunderten zurückblicken. Die ersten Nachrichten über sie erhalten wir durch die Heberegister des Klosters Werden vom Jahr 890 und des Klosters Korvey aus dem Jahre 1000 und 1195*1. Aber auch aus ihnen können wir über die einzelnen Höfe nichts Bestimmtes entnehmen. Wir können mit den uns seltsam anmutenden Namen, wie Ujo, Hemego, Uvaric, Festgelt usw. wenig anfangen, da wir nicht wissen, welche Höfe damit gemeint sind. Man kannte in der ersten Hälfte des Mittelalters nur Personennamen, keine Familiennamen. Der Sohn wurde mit einem anderen Namen benannt als der Vater, und der Enkel führte wiederum einen anderen Namen, und so blieb es bis ins 13. Jahrhundert. Gleichwohl sind uns die in den Heberegistern hinterlassenen Nachrichten überaus wertvoll, da wir aus den Abgaben, welche die zinspflichtigen Bauern an die Klöster Werden und Korvey zu entrichten hatten, die wirtschaftlichen Verhältnisse der damaligen Zeit kennen lernen. Um 890 stehen die Produkte der Landwirtschaft im Vordergrunde. Von allen Getreidearten ragt der Roggenbau bedeutend hervor. An zweiter Stelle kommt der Hafer. Als weitere Abgabe wird auch Mehl genannt, das mit dem Scheffel gemessen wurde. Doch scheint das Mehl wegen der mühsamen Gewinnung auf Handmühlen (Mörsern) in verhältnismäßig hohem Werte gestanden zu haben und wurde nur in geringem Maße als Abgabe eingefordert. Auch Bienenzucht muß man damals getrieben haben. Denn Honig wird wiederholt als Abgabengegenstand erwähnt. Die Viehzucht tritt hinter der Ackerwirtschaft noch zurück. Von dem Hausvieh werden unter den Abgaben Schweine und Schafe, aber noch keine Rinder erwähnt. 890 wird auch der Heeresschilling als Abgabe genannt. Es war die traurige Zeit der Einfälle der Normannen, welche von Jütland und den umliegenden Inseln aus zu Schiffen ganz Europa beunruhigten und namentlich über Friesland und das Sachsenland unglaubliches Elend brachten. Sie landeten plötzlich und unerwartet, drangen die Flüsse hinauf mit 200-600 Schiffen, raubten und brandschatzten. Daß sie auch unsere Heimat heimgesucht haben, deutet das Werdener Heberegister an, indem es zwei Höfe, einen zu Rechterfeld und einen zu Hanstedt, als verwüstet und verlassen aufführt*2.)

 
 

Ein Vergleich des Heberegisters vom Jahre 890 mit denen der Jahre 1000 und 1195 zeigt sodann, wie Ackerbau und Viehzucht unter Anleitung der Benediktinermönche, die auf ihren Höfen Musterwirtschaften hatten, einen bedeutenden Aufschwung genommen haben, und läßt auf eine mindest ebenso hohe Bevölkerungsdichte schließen, wie sie jetzt vorhanden ist. Bedeutend ist die Schaf- und Rinderzucht in Aufschwung gekommen; überhaupt zeigen die landwirtschaftlichen Erträge in mancher Beziehung eine Reichhaltigkeit, wie sie unsere Zeit kaum erreicht hat. Neben Rindern, Schweinen, Schafen, Gänsen, Hühnern, Käse, Eier, Roggen, Hafer, Gerste und Weizen sind eine fast regelmäßige Abgabe aus der Schafwolle gewebte Tuche. In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters bis in die Neuzeit erhielt dann die Viehzucht das Übergewicht über die Ackerwirtschaft. Im 16. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verfügten die Bauern über eine erstaunliche Anzahl von Vieh, so daß man sich wundern muß, wie dasselbe auf den Höfen hat gehalten werden können. Man muß aber bedenken, daß die ausgedehnten Marken vom Frühjahr bis tief in den Herbst eine, wenn auch kärgliche, so doch hinreichende Nahrung boten, Stallfütterung somit nur für die wenigen Wintermonate notwendig war. In einer Zeit, wo Handel und Verkehr nach Oldenburg, Bremen, Osnabrück und Münster nur durch Fuhrwerke vermittelt wurde, wo die Straßen im Winter kaum zu passieren, der Boden infolge mangelhafter Entwässerung schwer zu bearbeiten war, wo viele und schwere Spanndienstpflichten auf den Höfen lasteten, war die Verwendung von vielen Pferdekräften eine Notwendigkeit. Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann man es einigermaßen begreifen, wie auf Höfen, für die jetzt 2-3 Pferde genügen, im 16. Jahrhundert 7-10 Pferde gehalten wurden. Der 30-jährige Krieg bildet dann einen Wendepunkt in wirtschaftlicher Beziehung. Durch den Krieg war der Viehbestand vernichtet, der Acker vielfach zu Heide geworden, und man mußte wieder von vorne anfangen; man begann allmählich den Acker wieder zu bestellen und suchte auch die arbeit- und heimatlosen, auf den Höfen sich herumtreibenden Elemente, eine Erbschaft des langen Krieges, für den Ackerbau zu gewinnen. Dieser behielt von jetzt an das Übergewicht, bis die sogenannte Leutenot in der neuesten Zeit vielfach nötigt, in vorwiegendem Maße zur Viehwirtschaft zurückzukehren.

 
     
  *1 Anmerkung:
Osn. Urkb. I. Urk. 57, 116, 418
 
  *2 Anmerkung:
Anm. Osn. Urkb. 1. Urk. 57
 

 

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Stand: 06. März 2009