Geleitwort 2. Auflage

Ahnenforschung im
O
ldenburger Münsterland

 

 

Prof. Dr. Clemens Pagenstert

 
 

Die Bauernhöfe im Amte Vechta

 
 

2. Auflage 1976

 
 

Verlag Heimatverein Herrlichkeit Dinklage e. V.

 
     
 

Geleitwort

 
 

Im Jahre 1975 konnten wir das Buch "Lohner Familien" von Clemens Pagenstert neu drucken lassen. Seitdem will die Nachfrage "wann wird Pagenstert’s "Die Bauernhöfe im Amte Vechta" neu gedruckt?" nicht verstummen. So sind wir diesem Ruf gefolgt und können jetzt auch hier einen neuen "Pagenstert" vorlegen, und zwar einen unveränderten Abdruck im "photomechanischen Verfahren". Wir haben das umfangreiche Werk durch zwanzig Bilder bekannter schöner Bauernhöfe des "Amtes Vechta" aufgelockert.

 
 

Professor Dr. Clemens Pagenstert, der Verfasser des hier in zweiter Auflage vorliegenden Buches "Die Bauernhöfe im Amte Vechta", war ein echter Bauernsohn unseres Oldenburger Münsterlandes und wurde am 15. November 1860 zu Bokern geboren. Er besuchte von 1873 bis 1882 das Gymnasium Antonianum zu Vechta, und zwar legte er den reichlich 6 km langen Weg von seinem elterlichen Bauernhof zur Stadt Vechta täglich zweimal zurück, gewöhnlich zu Fuß, nur wenn zu Winterzeiten der Bokerner Damm bei den Rieselwiesen manchmal wochenlang unter Wasser stand, wohl auch auf Pferdesrücken. Deshalb war Clemens Pagenstert von Jugend auf an weite Fußmärsche gewohnt und blieb bis zu seinem Lebensende ein rüstiger Fußgänger.

 
 

Clemens Pagenstert hatte nach glänzend bestandener Reifeprüfung in Innsbruck Theologie studiert und war im Jahre 1886 in Brixen zum Priester geweiht worden (wegen des Kulturkampfes war Theologiestudium und Priesterweihe in der Heimat unmöglich), hatte darauf in Münster und Berlin Philologie (hauptsächlich Geschichte) studiert, war 1891 zum Dr. Phil. Promoviert und hatte 1892 sein philologisches Staatsexamen abgelegt. Nachdem er sodann am Niederrhein, in Berlin, Münster und Warendorf teils in der Seelsorge, teils im Schuldienst tätig gewesen war, kam er 1896 als Lehrer an das Gymnasium Antonianum in Vechta, wurde 1908 zum Professor ernannt und trat 1925 in den Ruhestand. Am Weihnachtsmorgen 1932 verschied er plötzlich und völlig unerwartet an einer Herzlähmung.

 
 

Professor Dr. Clemens Pagenstert kannte und liebte seine Heimat wie kaum ein zweiter. In tagelangen Fußmärschen durchstreifte er das Münsterland in allen Richtungen. Im Kreise Vechta wird es wohl kaum einen Weg von einiger Bedeutung geben, den er nicht wenigstens einmal gegangen ist. Damit wurde er sozusagen von selbst zum Heimatkenner und Heimatforscher. Groß ist die Zahl der heimatkundlichen Aufsätze, die er in der Tagespresse, in den Heimatblättern, in den Oldenburger Jahrbüchern oder sonst wie veröffentlicht hat. Aber auch größere Werke hat er verfaßt, so eine "Heimatkunde von Vechta" 1909, "Die Bauernhöfe im Amte Vechta" 1908, "Die ehemaligen Kammergüter in den Ämtern Cloppenburg und Friesoythe" 1912, "Lohner Familien" 1927, alles Werke, die eine außerordentliche Bereicherung unserer Heimatliteratur darstellen, überall begeisterte Aufnahmen fanden und in kurzer Zeit vergriffen waren.

 
 

Dieses Werk ist den alten Bauernhöfen im Amte Vechta gewidmet und soll dazu beitragen, den Hofbesitzern die Liebe zum heimatlichen Bauernhof zu festigen. Ein kräftiger Bauernbestand ist und bleibt die sicherste Stütze für unseren Staat, auch heute noch, und ist das einzige stetige Element im ethnologischen Gewoge unserer Zeit. Bis 1800 war der Bauernbestand gegliedert in: Freie Eigentümer, Hofhörige (freie Meier) und Leibeigene (unfreie Meier). Das entsprach einer Einteilung, wie sie auch schon bei den Germanen bekannt war: Freie, Halbfreie und Unfreie.

 
     
 

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Professor Dr. Clemens Pagenstert

 
     
 

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Der Pagensterthof in Bokern, hofhörig und leibdienstpflichtig an die Landesherrschaft

 
     
 

Die Freien standen außerhalb des gutsherrlichen Verbandes, waren Eigentümer ihrer Höfe, auf denen nur die staatlichen Abgaben als Reallasten ruhten. Selbst ihrem Landesherrn waren sie nicht dienstpflichtig, unterlagen aber dem Heerbann.

 
 

Die Hofhörigen waren persönlich frei, standen aber im Kolonatsverhältnis einer Grundherrschaft (Landesherr, Bischof, Kloster, Kirche, Adel). Ihre Freizügigkeit war durch Gebundenheit an der Scholle und durch Zins- und Dienstpflicht gemindert. Der Erwerb von beweglichem Eigentum war möglich. Sie unterstanden dem Gericht des Herrenhofes und unterlagen nicht der Heeresfolge.

 
 

Die Leibeigenen hatten neben den Verpflichtungen aus dem Kolonatsverhältnis noch die Last der persönlichen Unfreiheit zu tragen. In wirtschaftlicher Hinsicht bestand zwischen Hofhörigen und Leibeigenen kaum ein Unterschied. Alle besaßen in irgendeiner Form bäuerliches Gut mit Markenanteil zu Zeitleihe. Auf ihnen, den Wehrfestern der vollen und halben Erben, ruhte im Mittelalter die Kraft des Bauernstandes.

 
 

Die Zahl der landesherrlichen Meier (einschließlich Kötter und Brinksitzer) betrug um 1700 im Amte Vechta 227, davon waren 34 leibeigen, im Amte Cloppenburg waren es 115 zu 17, im Amte Wildeshausen 127 zu 24. Hinzu kamen eine große Anzahl von Hofhöriger und Leibeigener, die dem Adel hörig waren.

 
 

Folgende Übersicht nach Pagenstert mag die Abhängigkeitsverhältnisse im Jahre 1679 erläutern. Spalte A = Vollerben, Halberben; Spalte B = Pferde- und Brinkkötter (Brinksitzer sind hier nicht aufgeführt, da sie fast ausnahmslos frei waren).

 

 

 

Bakum

Neuenkirchen

Steinfeld

Visbek

 

A

B

A

B

A

B

A

B

Freie

22

42

15

35

16

32

16

19

Hofhörige und Leibeigene der Landesherrschaft

6

0

4

1

5

0

32

0

Des Adels

57

7

7

1

52

30

35

2

Der Kirche, Klöster, Kommenden, usw.

9

2

34

20

3

1

28

0

Insgesamt

94

51

60

57

76

63

111

21

 

 

Die Bauernstellen selbst zeigten seit der sächsischen Zeit ein ziemlich gleich bleibendes Bild. Inmitten des Hofwaldes aus Eichen lag das Bauernhaus. Die Hofstelle war mit Wall einer Wallhecke umfriedet. Der angrenzende, ebenfalls eingefriedete Hausgarten war für den Anbau von Obst, Gemüse und Flachs bestimmt. Der höher gelegene Esch war der gemeinsame Brotacker der Bauerschaft. Auch er war umwallt. Als die Eschländereien nicht mehr ausreichten, legte man Kämpe an. Der nicht umwallte Grund und Boden gehörte als Mark den Markgenossen und als Gemeinheit dem Landesherrn (die Markgenossen hatten Nutzungsrecht).

 
 

Die Größe der Ländereien wurde bei uns nach der Einsaat berechnet: Esch nach Scheffel- oder Maltersaat Roggen-Einsaat, niedriger gelegener Boden nach Hafer-Einsaat, Gartenland nach Scheffel-Lein-(Flachs)saat. Grasland berechnete man nach der Anzahl der Fuder Heu, Holzbestand nach der Zahl der Schweine, die dorthin zur Eichelmast getrieben werden konnten.

 
 

Nach Abschluß des Siedlungsausbaues im 13. Jahrhundert entstand nach den Vollbauern die sozial nächst tiefere Schicht der Erbkötter bzw. Pferdekötter. Sie erhielten innerhalb der Siedlungsgruppe eine Hofstelle und etwas Ackerland vom Ausgangshof. In der Mark waren sie später meist vollberechtigt.

 
 

Die Markkötter oder Brinkkötter, die im 15. Und 16. Jahrhundert auftauchten, hatten durchweg keine geschlossene Hufe. Sie wurden durch die Genossenschaft mit einem Zuschlag aus der Mark ausgestattet und waren auf gewerblichen Nebenverdienst angewiesen. Ihre Höfe lagen meist abseits der Siedlung in der Mark und waren meistens gutsherrnfrei.

 
 

Zu dieser Schicht kamen in der frühen Neuzeit noch die Brinksitzer, die mehr von einzelnen Freien, Hofhörigen oder Eigenhörigen als von Gutsherrn abhängig waren.

 
 

Schließlich entstand im 17. Jahrhundert die Klasse der Heuerleute ohne Grundbesitz und ohne Markenanteil.

 
 

Wir sind nun der Überzeugung, daß auch diese Neuauflage Leser, auch gerade junge Leser finden wird, die als Ausgleich zur Möglichkeit, auf dem Bildschirm über die ganze Erde wie durch den Weltraum zu schweifen, die Geschichte des eigenen Dorfes kennenlernen und auch dem Bauernstand und den Bauernhöfen in unserer Heimat mehr Beachtung schenken möchten.

 
 

Lassen wir nun Pagenstert selbst sprechen durch sein Werk, durch das der Gelehrte sich ein Denkmal setzte, dauernder als Erz. Ich möchte dieser zweiten Auflage den Wunsch wieder mit auf den Weg geben, daß unserer bäuerlichen Bevölkerung, ihrem zähen Festhalten am Hergebrachten, ihrer Anhänglichkeit an den ererbten Hof eine hohe ethische Bedeutung zukommt, die den Zusammenhang mit der Vergangenheit aufrecht erhält und das Gefühl der Zusammengehörigkeit weckt und belebt.

 
 

Zu danken haben wir wieder den Erben von Professor Dr. Clemens Pagenstert, die die Drucklegung des Werkes ermöglicht haben; aber auch all denen, die die Neuauflage unterstützten; Dank gebührt auch der Buch- und Offsetdruckerei Dieter Ostermann in Cloppenburg.

 
     
  JOSEF HÜRKAMP  
  Bokern-Dinklage, Herbst 1976  
     
  Geleitwort zur 3. Auflage  

 

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Stand: 06. März 2009