Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Gabriele Havermann Interne Nr.: 0049-14
 
 
Desumer Gerichtsbote
 
  Die Interessengemeinschaft „Altes Gogericht auf dem Desum“ gab im März diesen Jahres erstmalig den „Desumer Gerichtsboten“ heraus, um nach eigenen Worten die Bildung eines Geschichtsbewußtseins in der Bevölkerung des Oldenburger Münsterlandes zu fördern. Heft 1 des 1. Jahrgangs des „Desumer Gerichtsboten“ beinhaltet drei Vorträge, die von 1996 bis 1998 vor der jährlichen Mitgliederversammlung gehalten wurden.  
  Als erster sprach Prof. Dr. Helmut Ottenjann über das Thema: „Der bodenständige Findling als historisches Baumaterial, schwer belastbar - schwer belastet“. Hier verstand es Prof. Ottenjann das Auf und Ab des Baumaterials „Findling“ durch die wechselvolle Geschichte hindurch zu skizzieren: von seiner Entstehung während der Eiszeit, seiner kultischen Bedeutung in den im 4. und 3. Jahrtausend vor Christus errichteten Hünengräbern, über die erneute Verwendung im Kirchenbau im 13. bis 15.Jahrhundert nach Christus, wo er im 13. - 15.Jahrhundert nach und nach von der Ziegelmauertechnik abgelöst wurde, bis hin zu seiner abermaligen Renaissance im 20. Jahrhundert, die in der Wilhelminischen Ära ihren Anfang nahm und in den 30er Jahren unter den Nationalsozialisten ihren Höhepunkt fand. Als ein Beispiel für Letzteres zitiert Ottenjann einen Text des Vechtaer Professors Joachim Kuropka zu dem Schlageter-Denkmal in Lohne aus dem Jahrbuch Oldenburger Münsterland 1984. Abschließend warnt Professor Ottenjann vor einer Überhöhung des Findlings, der durch seine Geschichte schwer belastet ist, und rät zu einer sensiblen Auseinandersetzung.  
  Im zweiten Vortrag „Desum - Drantum – Visbek“. versucht Dr. Bernhard Brockmann das Verhältnis der drei alten Kulturstätten des Oldenburger Münsterlandes, des Gogerichts auf dem Desum, des Gräberfelds bei Drantum und des Missionsklosters in Visbek, aufzuzeigen, wobei das Desumgericht im Mittelpunkt steht. Diese Stätten versinnbildlichen in den Augen Brockmanns die Grundsteine einer Kultur, nämlich die Rechtsprechung und die Religion, und seien somit maßgeblich für das geschichtliche Bewußtsein und die Identitätsbildung im Oldenburger Münsterland. Ziel des Vortrags, so Brockmann selbst, sei es jedoch nicht, die gesamte wechselvolle Geschichte des Desumgerichts darzulegen, die er in einem kurzen Aufriß in Erinnerung ruft, sondern seine Wurzeln und seine ursprüngliche Bedeutung. Jene liegen nach Meinung des Vortragenden, obwohl es dafür keine Belege gibt, bei den altsächsischen Gerichten, die sich aus germanischen Volksversammlungen entwickelt halben. Dieser Ansicht sind auch andere namentlich genannte Wissenschaftler. Dr. Brockmann ist bemüht, auch den historischen Hintergrund, nämlich die Expansion der Franken unter Kaiser Karl dem Großen in die Stammesgebiete der Sachsen, dem heutigen Niedersachsen, um 800 und die damit einhergehende Christianisierung der Sachsen, in seinen Ausführungen entsprechend zu berücksichtigen, hinzu kommen eingestreute Exkurse in die Neuzeit (Kreuzkampf) und eine Berufung auf den antiken Schriftsteller Tacitas, um die althergebrachten Stammesstrukturen und Rechtsverhältnisse der Sachsen zu verdeutlichen.  
  Der dritte (erheblich erweiterte) Vortrag stammt von Prof. Dr. AIbrecht Eckhardt und behandelt „Wildeshausen und das Gogericht auf dem Desum“. Hier wird in überschaubarer und gut verständlicher Art und Weise die Entwicklung des Gogerichts auf dem Desum und vor allen Dingen das nicht immer ungetrübte Verhältnis zwischen den beiden dem Gogericht durch je einen „Gografen vorstehenden Ämtern Wildeshausen und Vechta ergründet. Diese Situation kam zustande durch die Teilung des Gogerichts: Der eine Teil kam 1270 mit Stadt und Amt Wildeshausen nach Bremen, der andere Teil wurde 1322 an den Bischof von Münster verkauft. Eckhardt schildert anschaulich die weitere Entwicklung des Gogerichts, von der Zusammenarbeit der Wildeshausener und des Vechtaer Gografen über den Kampf um die Selbständigkeit, die Ende des 16. Jahrhunderts mit der Durchsetzung des römischen Rechts und einer damit verbundenen strafferen Gerichtsbarkeit bedroht war, das Ende des althergebrachten Gogerichts während des 30-jährigen Krieges im Jahre 1652, die „Auferstehung“ des Teil-Gorerichts in Vechta ab 1657 und das endgültige Aus nach dein Anschluß der Ämter Vechta und Cloppenburg an das Herzogtum Oldenburg im Jahre 1804. Eine besonders interessante und unterhaltsame Begebenheit im Verhältnis der beiden Ämter Wildeshausen und Vechta stellt der Streit um die Wrogengerichtsbarkeit auf dem St. Margarethentag in Emstek dar. Dieses Recht zur Prüfung der Gewichte und Maße stand in Verbindung mit dem Gografenamt des Wildeshausener Richters, wurde jedoch von den Vechtaer Beamten stark behindert und schließlich unterbunden; das Streitobjekt war nicht selten Käse. Dieser Streit zog sich über 100 Jahre hin, bis er nach letzten offiziellen Protestversuchen von Seiten Wildeshausens im Jahre 1764 schließlich im Sande verlief.  
  Dem abschließenden Lob Prof. Dr. Eckhardts für die Bemühungen der Interessengemeinschaft „Altes Gogericht auf dem Desum“ kann nur beigepflichtet werden, wobei den Verantwortlichen zukünftig jedoch mehr Zeit und größere Sorgfalt bei der Abfassung von Veröffentlichungen angeraten wäre.  

 

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Stand: 04. April 2009