Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Franz Bölsker-Schlicht Interne Nr.: 9746-09

 

 
Rund um die Uhr
Die Kunst des Uhrmachers in Stadt und Land zwischen Weser und Ems
 
  Das Leben mit der Uhr, das Eingebundensein in Uhrzeiten ist für unsere Zeit so selbstverständlich und alltagsbeherrschend, daß ein ernsthaftes Reflektieren darüber kaum stattfindet. Man befindet sich zumeist im "Wettlauf mit der Uhr", aber die Option eines Lebens ohne Uhr und Uhrzeit erscheint ebenso unsinnig wie undenkbar. Dabei ist die heute alles beherrschende Uhrzeit historisch gesehen eher eine junge Erscheinung, die erst im Zuge der Industrialisierung vom Lebens- und Arbeitsalltag größerer Teile der Bevölkerung Besitz ergriffen hat. Nachdem der Arbeitsrhythmus der bis dahin dominierenden bäuerlichen und handwerklichen Familienbetriebe im wesentlichen vom Wechsel der Jahreszeiten und vom Schwanken der Tageslänge im Laufe des Jahres geprägt war; wird im Zeitalter arbeitsteiliger Produktionsformen und komplexer Kommunikationsstrukturen die exakt meßbare und gesellschaftlich kontrollierbare Zeit ein unverzichtbares Element des Alltags. Uhren, über Jahrhunderte für die Mehrheit der Bevölkerung nur an den Kirchtürmen sichtbar; hielten nun ihren Einzug zunächst in alle Haushalte, Betriebe und Verkehrsanlagen und wurden dann als Taschen- oder Armbanduhren von jedermann am Körper getragen.  
  In dem vorliegenden Doppelband untersucht H.-G. Vosgerau, als Museumsrestaurator im Ruhestand und Uhrmachermeister ein exzellenter Kenner der Materie, für die Weser-Ems-Region diese Entwicklung. Nach einem einleitenden Teil mit allgemeinen Angaben zur Geschichte der Zeiteinteilung und Zeitmessung sowie zur Herstellung und zum Gebrauch von Uhren werden nacheinander die Ausbildung zum Uhrmacher; die Uhrmacherwerkstatt im Wandel der Jahrzehnte und dann sehr ausführlich unterschiedliche Aspekte des Uhrmacherhandwerks (unter anderem berufsständische Organisationen der Uhrmacher), einzelne Uhrmachermeister und die Uhrmacherbranchen in einzelnen Städten und Orten (Osnabrück, Jever, Ganderkesee) vorgestellt, aber auch Raritäten wie ein "Uhrenlehrbuch für Uhrenbesitzer" von 1779. Daneben finden sich hier kurze Beiträge über Formen und Fälle von Uhrendiebstahl sowie über einzelne Uhrengattungen wie Taschenspindeluhren, Turmuhren, Stand- und Wanduhren und Wecker. Explizit vorgestellt wird auch die Uhrensammlung des Museumsdorfes Cloppenburg. Ein Verzeichnis bislang unbekannter Uhrmachermeister des 17. bis 20. Jahrhunderts und eine ausführliche Bibliographie schließen den Textband ab. Der anschließende Bildband besteht zum größten Teil aus einer Fülle von Abbildungen alter Sonnen-, Wand- und Standuhren, Wecker; Taschen- und Armbanduhren aus dem Weser-Ems-Raum, darunter zahlreicher in Farbe abgebildeter Uhren aus der Sammlung des Museumsdorfes Cloppenburg. Ebenfalls im Bild vorgestellt wird hier eine stattliche Anzahl von zu dieser Sammlung gehörenden Uhrmacherwerkzeugen. Insgesamt empfiehlt sich der Doppelband als Fundgrube für Liebhaber alter Uhren, vor allem aber als eine beachtenswerte Darstellung eines wichtigen Kapitels der Technik- und Kulturgeschichte.  

 

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Stand: 06. März 2009