Jahrbücher
Oldenburger Münsterland

 

Kommentar von: Karl-Heinz Ziessow Interne Nr.: 9342-02

 

 
EX BIBLIOTHECA OLDENBURGENSI
Bibliothekarische Untersuchungen aus Anlaß des 200-jährigen Bestehens der Landesbibliothek Oldenburg
 
  Wer wie bei Kriminalromanen den Ausgang der Geschichte nicht abwarten kann, der beginne hinten im Buch mit der Lektüre zur Geschichte der Landesbibliothek Oldenburg. Dort wird Bibliotheksgeschichte plastisch in großenteils farbigen Bildern von Räumen und Personen, die die Wandlungen der Institution über die zwei Jahrhunderte hin illustrieren. Dort wird auch ihre gelegentlich dramatische Seite offenbar, so in den Bildern des Bibliotheksgebäudes am Damm aus dem September 1943, als eine Fliegerbombe eine Situation der Verwüstung hinterließ oder auch in den Briefsequenzen des "unfreiwilligen" Bibliotheksdirektors Wolfgang G. Fischer, den die Wirren der letzten Kriegstage hier festhielten.  
  Der Einstieg über die Zerstörung und den jahrzehntelangen Kampf Wolfgang G. Fischers um ein ansprechendes Domizil und eine angemessene Ausstattung führen mitten hinein in eine Bibliotheksgeschichte voller Dramatik, Initiative und Engagement, wie sie das Alltagsleben dieser Oldenburger Institution seit ihren Anfängen bestimmte. Das beginnt mit der von Klaus-Peter Müller gleichsam als Einführung in das Reich der Oldenburger Bücher nach allen Regeln der bibliothekarischen Kunst analysierten Büchersammlung Johann Samuel Neumanns, die als Grundbestand der Landesbibliothek bisher völlig im Schatten der bedeutenden Brandesschen Sammlung untergegangen war. Bemerkenswert ist hier nicht nur der Umfang der Büchersammlung jenes ansonsten unbekannt gebliebenen Bardenflether Pastors, sondern auch der systematische Ordnungsaufwand, den er ihr angedeihen ließ. Was also innerhalb der Mauern der herzoglichen Bibliothek geschah, stand so nur beispielhaft für eine Buchkultur; die auch im Lande selbst betrieben und gepflegt wurde.  
  Nicht minder eingehend werden die Juristenbibliotheken Adolph Friedrich Trendelenburgs und Christian Ludwig Rundes von Jürgen Beutin vorgestellt, die die im juristischen Bereich erstaunlicherweise sehr mager bestückte Bibliothek Brandes erweiterten. Gabriele Crusius, die sicherlich beste Kennerin des Grundbestandes der Oldenburger Bibliothek, ergänzt ihre bisherigen Studien durch eine Beschreibung der Bibliothek des Oldenburger Arztes Gerhard Anton Gramberg, Freund und Vertrauter des ersten Bibliothekars der Landesbibliothek, Ludwig Wilhelm Christian von Halem, und vor allem seines bedeutenderen Bruders Gerhard Anton von Halem. Grambergs waches politisches Interesse erweist sich nicht zuletzt an der großen Zahl aktueller Titel im Bestand seiner Bibliothek.  
  Bis heute durch eine eigene Signatur ausgewiesen ist die Militärbibliothek, die Egbert Koolman mit vielen Einzelheiten zu den praktischen Umständen ihres Werdegangs vorstellt. Dieses Produkt der kurzen Zeit oldenburgischer Rüstungsanstrengungen im 19. Jahrhundert ist nicht nur nur eine "Behördenbibliothek" (Koolman), sondern im Zeitalter des Offiziers mit Ingenleurkenntnissen auch ein Dokument der Diffusion technischer Bildung. Prachtstücke botanischer Buchillustration, wie sie der Beitrag von Armin Dietzel beschreibt, mögen Höhepunkte eines bibliothekarischen Lebens gewesen sein, wenn die Institution auf Bücherauktionen als Käufer aktiv wurde, so in dem Zeitraum von 1793 bis 1838, den Klaus-Peter Müller in einem weiteren Aufsatz erschließt. Aktualität steht nicht nur dort im Vordergrund, wo es, wie Walter Barton jahrzehntelange Studien resümiert, um die umfangreiche Zeitungssammlung der Landesbibliothek geht; sie war in anderer Form auch ein Teil jenes aufgeklärten Diskurses, dem sich die von Egbert Koolman porträtierten 0ldenburger Damen in den ersten Jahrzehnten der neuen Bibliothek hingaben. Daß sich hinter den vom heutigen Durchschnittsbenutzer nur mechanisch auf Leibscheine kopierten Signaturen ein historischer Sinn verbirgt, bringt der Beitrag von Rudolf Fietz mit profunder Gelehrsamkeit zu allgemeiner Kenntnis. Der alte Realkatalog, dem mancher mit den alten Bandkatalogen vertraute Leser angesichts gegenwärtiger Sacherschließung stille Tränen nachweinen mag, fand in der von Theodor Merzdorf entwickelten Systematik einen zugleich lebendigen und pragmatischen Anschluß an den wissenschaftstheoretischen Diskurs seiner Zeit.  
  Schließlich langt man nach dieser langen Reise durch die Gänge der Bibliothek wieder bei ihrer jüngsten Geschichte an, die Walter Barton in ihren Grundzügen in zwei Aufsätzen dargestellt hat. Ob die Kunst am Bau, die Jürgen Beutin dann als Ausklang dieses über 400 Seiten starken Bandes vorstellt, in ihren heutigen Ausformungen noch die gleiche programmatische Kraft jenseits aller Biblioromantik aufweist wie seinerzeit die Aufstellung der Büsten von Christian Wolff, Albrecht von Haller, Klopstock und Leibniz wird erst eine sehr viel spätere Betrachtung erweisen können, die im Sinne der vorliegenden Publikation die nächsten Jahrzehnte der Bibliotheksgeschichte im Kontext ihrer Zeit untersucht.  

 

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Stand: 06. März 2009